Seit einigen Jahren ist in der Schweiz von einem Mangel an Gesundheitsfachleuten die Rede. Indizien dafür sind einerseits die Schwierigkeit, Stellen in Spitälern zu besetzen, und andererseits die hohe Zahl von Gesundheitsfachleuten mit einem ausländischen Abschluss. Wie beeinflusst die Anzahl Ärztinnen und Ärzte das gesamte Gesundheitswesen? Welche Möglichkeiten der Steuerung gibt es und wo liegen ihre Grenzen? Die SAMW hat diese Fragen in einem 2016 veröffentlichten Positionspapier behandelt.
Zu einem nachhaltigen Gesundheitssystem in der Schweiz gehören eine adäquate Anzahl und eine bedarfsgerechte fachliche und geografische Verteilung von Ärztinnen, Ärzten und Pflegefachpersonen. In einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem ist eine Steuerung der personellen und namentlich der ärztlichen Ressourcen unumgänglich.
Der Begriff «Steuerung» soll im konkreten Fall breit verstanden werden und umfasst nicht nur staatlich festgesetzte Massnahmen. Die Steuerung über Anreize (finanzielle und andere) fällt ebenfalls unter diesen Begriff. Dabei ist zu bedenken, dass das Gesundheitswesen ein hochkomplexes System ist und dass die Ärzte nur ein Teil davon sind. Die Auswirkungen von Steuerungsmassnahmen in einem Teilbereich des Systems sind somit schwer vorherzusehen. Alle diese Tatsachen sind auf jeden Fall zu berücksichtigen, wenn steuernd ins System eingegriffen werden soll.
Die SAMW schlägt für die Steuerung von Anzahl und Verteilung der Ärztinnen und Ärzte im Schweizer Gesundheitssystem fünf Massnahmenpakete vor. Kern dieser Empfehlungen ist die Erkenntnis, dass es ineinander verzahnte Massnahmen braucht. Isolierte Steuerungseingriffe erzeugen bei Weitem nicht die gewünschten Wirkungen, sondern vor allem unerwünschte Nebenwirkungen.
Das Positionspapier richtet sich an zahlreiche Akteure des Gesundheitssystems, u. a. Leistungserbringer, Gesundheitspolitikerinnen auf kantonaler und Bundesebene, Kostenträger und Bildungseinrichtungen.
Von der SAMW unterstützte Projekte
Seit 2005 gibt der Berufsverband mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz alle fünf Jahre eine wissenschaftliche Studie in Auftrag, um langfristige Daten über das Alter, das Geschlecht, den Beschäftigungsgrad, die Berufszufriedenheit und Ruhestandsplanung der Hausärztinnen und -ärzte sowie die Arten und geografische Verteilung von Hausarztpraxen zu erheben. Auch die jüngste Studie «Workforce 2025» wurde von der SAMW im Rahmen ihres Engagements für ein nachhaltiges Gesundheitssystem unterstützt.
Die Ergebnisse der fünften Workforce-Studie zur medizinischen Grundversorgung zeigen, dass der Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten eine sich verschärfende Realität ist. Bereits heute stellen mehr als drei Viertel der Befragten einen Mangel in ihrer Region fest. Bis 2030 muss fast ein Viertel der heute praktizierenden Grundversorger:innen ersetzt werden, bis 2035 sogar 40 Prozent.
Das Online-Magazin mfe Standpunkte beschreibt den Inhalt der Studie im Detail und lässt mehrere Persönlichkeiten zu Wort kommen, darunter Prof. Arnaud Perrier, Präsident der SAMW. Er äussert sich über den Wert dieser Berufsfelder und dazu, wie sie attraktiver gestaltet werden können: «Die Haus- und Kinderarztmedizin ist für die Grundversorgung und Prävention von zentraler Bedeutung. Es sind anspruchsvolle Fachgebiete, die hohe Kompetenzen erfordern. Ihr Beitrag zu unserem Gesundheitssystem muss stärker anerkannt und gewürdigt werden und ihr Verwaltungsaufwand muss sich verringern.»
Competence Network Health Workforce
Der Fachkräftemangel bei den Gesundheitsberufen stellt eine grosse Herausforderung für die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Gesundheitsdienstleistungen dar. Das «Competence Network Health Workforce» (CNHW), dem die SAMW angeschlossen war, hat zwischen 2017 und 2020 mehrere Initiativen entwickelt, um die Ursachen des Fachkräftemangels zu verstehen und Gegensteuer zu geben.
Synthesebericht CNHW (2021, auf Englisch)